Massgeschneiderte Rezepturen sind unser Spezialgebiet

Geschrieben von Mariana Schaller am 6. Oktober 2022

Apotheke Wyss | Mutter und Kind

Fehlende Kinderdosierungen

Viele spezielle Medikamente sind nicht in Kinderdosierungen auf dem Mark erhältlich. Da legt die Apotheke Wyss selbst Hand an und stellt für die jüngsten Patienten, in Ihrer eigenen Manufaktur, massgeschneiderte Medikamente her. Dies geschieht oft unter Zeitdruck, aber mit viel Elan des ganzen Teams.

Persönlicher Praxisbericht: Ein nicht alltäglicher Arbeitstag

Lesen Sie im Folgenden, wie wir mit engagierter Teamleistung einem dreijährigen Patienten, in kürzester Zeit, zu seinen Medikamenten gegen eine ersthafte bakterielle Erkrankung verhelfen konnten:

Es ist 17:30 an einem belebten Arbeitstag im Winter.

Das Telefon klingelt und wird auch sogleich von einer Pharma-Assistentin abgenommen. Kurz darauf stellt sie den Anrufer auf stumm und reicht mir den Hörer – es sei ein Kinderarzt und er möchte mit einem Apotheker oder einer Apothekerin sprechen, welche bei uns in der Apotheke Rezepturen herstellt. Gespannt nehme ich mit dem Arzt das Gespräch auf. Schon nach zwei Sätzen wird mir klar – es ist wirklich dringend!

Schnellstmöglich: Die massgeschneiderte Rezeptur

Der dreijährige Patient hat Tuberkulose und braucht dringend Medikamente in einer Kinderdosierung, welche von der Industrie so nicht hergestellt wird.
Der Kinderarzt gibt mir diverse Informationen: Gewicht des Kindes, welches Spezialantibiotikum in welcher Dosierung benötigt wird und auch welche Einnahmevorgaben er vorschlagen würde. Ich wiederhole nochmals alle Angaben und wir verbleiben so, dass sich meine Arbeitskollegin morgen nochmals bei ihm melden werde, um zu bestätigen, bis wann wir das Medikament herstellen können.

Recherche – Lösungsansätze – Vorbereitung

Kaum habe ich den Hörer aufgelegt, beginne ich mit meiner Recherche, denn viel Zeit bleibt mir nicht mehr, bis ich meine Kinder in der Kindertagesstätte abholen muss. Mein Ziel ist es, dass ich alles für meine Arbeitskollegin vorbereite, damit sie morgen das Medikament herstellen kann, denn morgen ist mein freier Tag und der kleine Patient braucht seine Medikamente so schnell als möglich. In unserer Sammlung von Magistralrezepturen („Herstellungen“) finde ich zum Glück einen Eintrag zu dem gewünschten Tuberkulosemedikament „Rifampicin“. Dieses ist für Erwachsene in hohen Dosierungen im Handel. Unser kleiner Patient braucht jedoch eine viel schwächere Dosierung. Dies bedeutet, wir müssen das Fertigprodukt verdünnen. Da eine Verdünnung in flüssiger Form im aktuellen Fall nicht möglich ist, werden wir Kapsel herstellen. Bei dem vergangenen, bereits dokumentierten Fall haben wir die Herstellung aus einem Fertigprodukt in Kapselform gemacht. Doch bei der Abfrage beim Lieferanten stosse ich bereits auf die erste Hürde – die Kapseln sind aktuell nicht lieferbar. Zum Glück sind aber die Tabletten erhältlich. So gebe ich also eine Bestellung für Rifampicin Tabletten auf, welche morgen bei uns in der Apotheke eintreffen sollten und hoffe, dass eine Herstellung mit Tabletten genauso möglich ist wie mit dem Fertigprodukt in Kapselform.

Letzteres ist aber nicht selbstverständlich. Auch wenn der Wirkstoff identisch ist, sind Kapselinhalte und Tablettenfüllstoffe komplett verschieden. Es könnte somit sein, dass sich die Tabletten zum Beispiel nicht mörsern lassen oder sich die Pulvermischung statisch so auflädt, dass sich die neuen Kapseln nicht mehr richtig befüllen lassen. Ich bin froh bis 18:00 Uhr alle relevanten Informationen zusammen getragen zu haben. Hoffentlich funktioniert es morgen mit der Herstellung.

Meine Kinder hole ich rechtzeitig aus dem Kinderhort ab und trotz allen Vorbereitungen plagt mich während des Nachtessens die Ungewissheit, ob morgen wohl die Herstellung reibungslos ablaufen wird. Ich hinterlasse meiner Arbeitskollegin eine Sprachnachricht, damit sie sich gedanklich auf die Herstellung vorbereiten kann. Sie ist sehr dankbar für die „Vorwarnung“. Nun sind wir ein gutes Zweier- respektive mit dem Arzt ein Dreierteam, das gemeinsam für das schnelle Wohl des kleinen Patienten kämpft. Alle ahnen wir nicht, dass diese Geschichte noch ganz andere Kreise ziehen wird.

Herausfordernde Herstellung: Im Team geschafft

Voller Elan beginnt meine Arbeitskollegin am nächsten Tag mit der Kapselherstellung. Leider stellt sich schnell heraus, dass die Herstellung aus den Tabletten ziemlich mühsam ist. Die Tabletten lassen sich nur mit viel Kraft zerkleinern und mörsern. Viele Rückstände bleiben im Mörser hängen. Eine genaue Dosierung wird zum Seiltanz. Doch mit viel Woman-Power, Erfahrung und Geschick werden die Kapseln kurz vor Mittag fertig. Der Kinderarzt bedankt sich riesig. Am Abend steht auch schon der Vater des kleinen Patienten in der Apotheke und nimmt die Kapseln sowie alle Tipps und Tricks zur Einnahme entgegen. Der Mann ist sichtlich bedrückt und plötzlich laufen ihm die Tränen über die Wangen. Er erzählt, dass nicht nur sein Kind an Tuberkulose erkrankt ist, sondern auch seine Frau. Die Frau befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Spital in einem kritischen Zustand. Die Frau und das Kind haben sich bei einem Verwandtenbesuch in Südosteuropa angesteckt. Der Ausbruch der Krankheit sei erst einige Wochen später in der Schweiz erfolgt.

Solche Geschichten gehen mir sowie dem gesamten Team immer sehr nahe. Wir werden diese Familie im nächsten halben Jahr eng begleiten. So haben wir bereits am nächsten Tag die Beschaffung der Reinsubstanz Rifampicin in die Wege geleitet, um eine weitere Kapselherstellung speditiver herstellen zu können. Übrigens: Der kleine Patient ist heute kein Patient mehr, da er und seine Mutter wieder wohl auf und geheilt sind. Als Team sind wir stolz und erleichtert darüber, dass wir unseren Teil dazu beitragen durften.
Ihre Gesundheit liegt uns einfach am Herzen, ob gross oder klein.

Ihr Apotheke Wyss Team

Die Tuberkulose ist eine durch hustende Erkrankte über die Raumluft übertragbare Krankheit. In der Schweiz gibt es pro Jahr rund 550 Erkrankungen, wie das Bundesamt für Gesundheit schreibt. Für eine Ansteckung ist meist ein Aufenthalt im gleichen Raum über Stunden erforderlich. Eine Ansteckung ist erst nach zwei Monaten nachweisbar. Nur 5-10% der Personen mit einer frischen Ansteckung erkranken später einmal, am ehesten innert 2 Jahren, aber durchaus auch noch nach Jahren. Gefährdet für eine frühe Erkrankung sind insbesondere Kleinkinder und Immungeschwächte.

Die Tuberkulose betrifft in 80 % der Fälle die Lunge, kann aber auch andere Organe befallen. Typische Symptome sind Husten, oft mit Auswurf, Fieber und Gewichtsabnahme. Die Tuberkulose ist mit speziellen Antibiotika (Antituberkulotika) über mehrere Monate meist gut behandelbar. Ohne Behandlung verläuft sie, nach einer meist längeren Erkrankung, oft tödlich.

Bewerten