Medikamentenengpass in der Schweiz

Geschrieben von Dr. Philipp Wyss am 30. Januar 2024

Apotheke Wyss | Senioren | Unternehmen

Wir sind es uns grundsätzlich in der Schweiz kaum gewohnt
ins Leere zu fassen, wenn wir ein bestimmtes Produkt im Regal suchen. Dennoch erleben wir es im Alltag in der Apotheke immer wieder, dass Arzneimittel nicht vorrätig und nicht lieferbar sind.

Neu ist die Thematik allerdings nicht – schon länger kämpfen die Spitäler etwas abseits des medialen Rummels mit Lieferschwierigkeiten von Medikamenten. Verschärft durch die Pandemie sowie in neuester Zeit durch unterbrochene Lieferketten betrifft es nun öfters auch die öffentlichen Apotheken. Und somit Sie als geschätzte Kundschaft ganz direkt.

Wer kennt diese Situation nicht – während der Arbeit machen sich plötzlich Kopfschmerzen bemerkbar oder man erwacht morgens mit Halsweh. Im besten Fall kann aus dem Vorrat seiner eigenen Hausapotheke etwas verwendet werden oder Sie kommen zu uns und holen sich das vertraute Produkt, damit es Ihnen rasch möglichst wieder besser geht. Doch anstatt Ihnen das gewünschte Präparat zu überreichen, müssen wir sie vertrösten, weil es zurzeit nicht lieferbar ist.

Die Ursachen sind vielfältig, teilweise auch die Folge eines Domino-Effekts: fällt ein Stein (in diesem Fall fehlt ein Wirkstoff oder ein spezifisches Präparat), lässt dieser weitere Steine umkippen.

Die aktuelle Faktenlage bei 365 betroffenen Wirkstoffen:

  • Substanz fehlt vollständig und kann auf unbestimmte Zeit nicht angeboten werden.
  • Einzelne Hersteller des fertigen Produktes können nicht liefern – die Substanz ist somit nur teilweise lieferbar beziehungsweise fehlend.
  • Höhere Nachfrage als zur Deckung des Bedarfs benötig wird, wodurch der Lieferant die Verteilung an den Handel kontingentiert.

Komplexe Ursache – einfach erklärt:

an Wirkstoffen (die Gründe sind mannigfaltig: aufgrund Schwierigkeiten beim Transport, Störungen in der Fabrik eines Herstellers, zu wenig Hersteller der Substanz für die hohe Nachfrage, Produktion und/oder der Transport geriet aufgrund der Pandemie ins Stocken)

analog Gründe Wirkstoffe

der Medikamente weltweit aufgrund der Pandemie wie auch der Kriege (für den europäischen Markt ist der Ukraine Krieg massgeblich), da der Transport nicht mehr gewohnt reibungsarm abläuft und sich verzögert sowie der Bedarf bei einigen Produkten sprunghaft angestiegen ist.

beim Verpackungsmaterial: von Papier (Packungsbeilagen) über Karton (Verpackung) zur Blisterpackung (da kann es sogar «nur» die Alufolie betreffen, welche den Blister versiegelt)

wodurch die Abfüllung eines oder mehrerer Präparate desselben Lieferanten nicht mehr im regulären Zeitplan ist und die Auslieferungen stocken.

da oft ein Wirkstoff nur von wenige Firmen weltweit produziert wird

Ungewöhnlich hohe Nachfrage, wodurch das Medikament schneller ausverkauft wird als berechnet, teilweise verursacht durch Lieferengpässe in anderen Ländern, teilweise verursacht durch Hamsterkäufe. Und was leider auch neu, zunehmend ist: Erwähnung eines Produktes in Social Media Kanälen und daraus resultierender Verkaufsanstieg.

Der kleine Markt Schweiz mit speziellen Marktbedingungen im Gesundheitswesen (dreisprachige Packungsbeilagen, Reglementierung der Preise durch den Bund bei Produkten aus der Spezialitätenliste) führt dazu, dass die Schweiz nicht bevorzugt behandelt wird.

Trotz logistischen Herausforderungen – Ihre Gesundheit hat oberste Priorität und liegt uns am Herzen

Eine gut eingestellte Therapie umzustellen ist selten wünschenswert – vor allem wenn diese von der aktuellen Marktsituation erzwungen wird.

Die Lösungsvorschläge Ihrer Stammapotheke

Das Produkt von einem anderen Hersteller verwenden, im Notfall auch von einem Generikum zum Original zurückwechseln.

Eine andere Darreichungsform verwenden (Tabletten statt Kapseln; Tropfen statt Tabletten, Tabletten anstelle Lingualtabletten)

Bei Kombinationspräparaten kurzfristig auf die einzelnen Substanzen zurückgreifen.

Bei einigen wenigen Produkten können aus noch lieferbaren Grosspackungen mehrere Teilpackungen für Notfallabgaben gemacht werden

Das Produkt in einer anderen Stärke wählen und durch Anpassung der Einnahme die Tagesdosis beibehalten (bei schwächeren Stärken z.Bsp. 2 Tabletten zu 5mg statt 1 Tablette zu 10mg resp. bei höherer Dosierung ½ Tablette von 300mg ergibt die Tagestherapie von 150mg)

Abklären, wie lange der Vorrat zu Hause reicht und bis wann der Lieferengpass voraussichtlich in etwa anhält – mit etwas Glück kann man den Unterbruch aussitzen und die Therapie wie gewohnt weiterführen.

Nach der Rücksprache mit dem verordneten Arzt eine alternative Therapie wählen

Ein gleichwertiges Produkt aus dem Ausland organisieren lassen

Gerne stehen wir Ihnen mit unserem Rat zur Seite, wenn es um Ihre eigene Medikation geht.

Wir bleiben in diesen Tagen nicht tatenlos in der Apotheke, sondern befinden uns konstant auf der Suche nach adäquaten Lösungen. An beiden Standorten sind die Teams mit Spürsinn, langjähriger Erfahrung und zwischendurch auch dem nötigen Quäntchen Glück im Einsatz, um das Sortiment möglichst vollständig anbieten zu können .

Geteilte Freude

Wir freuen uns mit Ihnen, wenn ein lang erwartetes Präparat endlich wieder erhältlich ist oder wir zeitnah eine gute Alternative organisieren konnten. Denn auch wir sind erleichtert, wenn das Warten ein Ende hat.

Verknappung der Medikamente – politische Initiativen

Der Bund ergreift seit 2006 verschiedene Massnahmen, um dieser Verknappung der Heilmittel entgegenzuwirken. Zum einen rief er eine Taskforce wie auch eine Meldestelle ins Leben, führte eine Meldepflicht bei Auftreten eines Lieferunterbruches ein, passte die Gesetzgebungen an und versucht durch Abgabe von Teilmengen aus dem Pflichtlager den Markt zu stützen.

Verknappung der Medikamente – Jede Stimme zählt

Aus unserer Sicht reichen diese Schritte jedoch noch nicht aus. Deshalb haben sich verschiedene Akteure im Gesundheitsweisen wie Apotheken, Ärzte, Drogisten bis hin zur Pharmaindustrie zusammen mit Konsumentenschützern zu einem Komitee zusammengeschlossen, um die Initiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» zu lancieren. Damit soll der Bund aufgefordert werden, noch konkretere Schritte in die Wege zu leiten, um die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren – in dem Forschung, Produktion und Lagerhaltung in der Schweiz gestärkt werden. Aktuell liegen viele Kompetenzen zum Thema Versorgungssicherheit in den Händen der 26 Kantone – doch statt Einzellösungen entwickeln zu lassen, sollte der Bund noch mehr Synergiepotenziale nutzen.

Täglich im Einsatz und vielfältig engagiert für Ihre Gesundheit. Diese liegt uns am Herzen.

Ihr Apotheke Wyss Team

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